Möglich ist alles

von guidorohm

Remus hat Rohm nicht aus seinem Kopf bekommen. Rohm tanzt in seinem Kopf. Er kann sich nicht beschweren. Er will sich nicht beschweren. Er hat das Ungetüm erschaffen. Jetzt ist es da. Wackelt durch die virtuelle Welt, als ob es wirklich wäre. Ist es nicht. Ist eine Erfindung von Remus. Das verfluchte Internet, denkt Remus. Das Internet ist ein Meer. Ein Mehr. Das Internet ist das Medium. Das Medium ist die Nachricht. Hat er das nicht schon mal irgendwo im Netz so gelesen? Vielleicht waren es andere Worte. Er kann sich nicht erinnern. Mails treffen ein, die keinen Sinn ergeben. Pläne liegen in der Luft, die er nicht angestoßen hat. Er streicht sich durch die Haare. Fahrig. Nervös. Er sieht bei Amazon nach. Blutschneise. Dieses Buch kann es nicht geben, weil es Rohm nicht geben kann. Oder doch? Hat er so gut gearbeitet. Ist er ein Genie, ein Auserwählter, der den Lauf der Welt verändern kann? Er findet keine Antwort. Auf nichts. Auch nicht auf sich. Rohm. Rohm. Rohm. Der Name zischt wie eine wild gewordene Rakete durch seinen Kopf. Er setzt sich an den Schreibtisch. Schreibt über Rohm, über das, was er gerade tun könnte. Er beschreibt ihn. Dort steht er. Könnt ihr ihn sehen. Er spricht seine Leser direkt an. Er duzt seine Leser. Seine Leser sind seine Freunde. Sie sollen seine Freunde sein. Er braucht sie. Er hat doch sonst niemanden. Also fährt er fort. Rohm steht auf dem Balkon. Er raucht eine Zigarette. Er hat eine Mail von einem Verlag erhalten. Pläne liegen in der Luft, die noch unausgegoren sind. Rohm hat schon länger nicht mehr geschrieben. Er müsste sich unbedingt an einen neuen Roman setzen. Die Veröffentlichung der Blutschneise macht ihn nervös. Da müsste endlich einmal etwas geschehen. Etwas mehr. Etwas anderes. Aber Rohm zittert bereits. Er muss schreiben. Er will schreiben, denn er braucht das Schreiben wie die Luft zum Atmen. Jedes Wort ist ein Atemzug. Jedes Wort schreit: Du lebst noch! Mit jedem Wort hat er eine Fußspur hinterlassen. Remus liest durch, was er soeben geschrieben hat. Kann das so bleiben? Nein! Auf keinen Fall. Alles muss anders werden. Er muss Rohm neu erfinden, immer wieder neu erfinden. Er löscht die Zeilen. Diese Worte werden in seinem Blogroman keine Verwendung finden. Niemals. Nur über seine Leiche. Er greift nach dem Becher Kaffee. So könnte auch Rohm nun nach einem Becher greifen. Vielleicht geschieht alles simultan in verschiedenen Universen. Während er in diesem über Rohm grübelt, sinnt der in seinem über ihn. Beide sind sie nur die Erfindungen des jeweilig anderen. Wäre das möglich? Möglich ist alles.